30 Monate Teamlead: Meine größten Fehler
Ich habe mich in meinem Leben selten gefragt, ob ich der nächsten Herausforderung gewachsen bin. In erster Linie vertrau(t)e ich auf meinen Instinkt und machte mir das Motto “fail fast, learn fast, improve fast” zum Credo. Egal, ob meine Jobs als Fotograf, meine 5-jährige Ausbildung zum Bauingenieur oder meine Rollen in der Medienlandschaft, mehrheitlich als (Performance) Marketing Manager. Auf all diese Etappen habe ich mich eingelassen, ohne große Vorbereitung. Beinahe drei Jahre befinde ich mich nun in der nächsten Phase, in der Rolle der Führungskraft.
Zum ersten Mal hat eine berufliche Veränderung nicht nur Auswirkung auf mich persönlich, sondern auch auf meine beruflichen Mitmenschen. Natürlich hat man dadurch noch mehr den Anspruch an sich selbst alles perfekt zu machen. Also beliebt zu sein, Konfrontationen zu vermeiden, die gesteckten Ziele zu erreichen und natürlich dem alten Ich treu zu bleiben. Deshalb war ich schnell verleitet, in Coaching-Büchern oder Simon Sinek Videos zu versinken und alles — zum ersten Mal — genau vorzubereiten.
Anfangs war mein Plan nach den ersten 365 Tagen Resümee zu ziehen, doch die Zeit verging wie im Flug, die Herausforderungen wurden immer größer und ich hatte um ehrlich zu sein keine Ahnung, was in Führungsfragen gut oder schlecht läuft.
Heute, ca. 900 Tage später, gelingt es mir schon deutlich besser auf die letzten Jahre zu blicken und selbstkritisch Bilanz zu ziehen.
Meine erste Woche als Teamlead startete 7 Tage vor dem ersten Lockdown, dadurch war es vermutlich noch holpriger. Ich bin aber überzeugt, dass diese Fehler auch ohne Pandemie passiert wären.
1. Ziele alleine (ohne das Team) formuliert
Wer meine vorherigen Artikel gelesen hat weiß, ich arbeite in einem Business in dem Zahlen über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Deshalb entspricht es der Natur meiner Arbeit, sich messbare Ziele zu stecken. Und genau hier beginnt mein erstes Learning. Sich mit dem Strategie-Papier und Noise Canceling Kopfhörer in ein Besprechungszimmer zu verziehen und dort alleine die Ziele für das Team zu definieren fruchtet nicht. Definitiv gehört es zur Rolle eines Teamleads, die Richtung vorzugeben und sicherzustellen, dass diese für das Unternehmen die richtige ist. Doch die detaillierte Definition dieser sollte so früh als möglich gemeinsam mit den Teammitgliedern gemacht werden. Nur wenn alle verstehen, wie es zu diesen Zielen kommt und warum diese für die Gesundheit des Unternehmens essenziell sind, steht auch jeder dahinter und geht, wenn es notwendig ist, die Extrameile.
2. Zu wenig Mindeststruktur erarbeitet
Wir sind ein junges, dynamisches Team, das voller Innovationskraft steckt. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Prozesse in einem etablierten Verlag permanent zu hinterfragen und zu überarbeiten. Das führt zu sehr viel Abwechslung im Arbeitsalltag. Je agiler das Vorgehen, umso stärker müssen Strukturen greifen. Lange fehlte mir das Gespür, wie viel Mindeststruktur ich erarbeiten und zur Verfügung stellen muss.
Bin ich als Sparringpartner ausreichend ansprechbar?
Was kann jeder selbst entscheiden? Wofür braucht es eine Abstimmung?
Was passiert, wenn der Standardprozesse nicht infrage kommt?
Diese und weitere Fragen habe ich nach und nach versucht zu beantworten, um dem Team eine Mindeststruktur für das selbstständige, effiziente Arbeiten anbieten zu können.
3. Die Menschen dahinter nicht kennengelernt
Wer ist in einer Beziehung? Wer wohnt in der Stadt, wer am Land? Wer liebt Hunde, wer mag lieber Katzen? Diese Fragen sind meistens nach der ersten Woche am gemeinsamen Mittagstisch geklärt. Die Antworten helfen aber nicht, ein Team besser zu formieren und zu führen. Dafür ist es notwendig mehr über die Bedürfnisse, persönlichen Eigenschaften und Kompetenzen jedes Einzelnen zu erfahren.
Um Aufschluss zu erhalten, haben wir gemeinsam, aber jeder für sich mit einem Leadership-Coach den Big 5 Test gemacht. Dieser gibt Aufschluss über die Person dahinter.
Warum reagiere ich in diversen Situationen, wie ich reagiere?
Wie anfällig bin ich auf Druck?
Wie hoch ist mein Bedürfnis nach Stabilität?
Im persönlichen Vieraugengespräch mit der Expertin hat das Team mehr über sich selbst erfahren. Der Test hat keine Geheimnisse aufgedeckt, aber viele subjektive Wahrnehmungen bestätigt und greifbar gemacht. Wir haben uns als Team entschieden, die Ergebnisse nicht für uns zu behalten, sondern mit den Anderen zu teilen. Seit diesem Zeitpunkt geben wir mehr aufeinander Acht.
4. Eigene Eigenschaften auf andere übertragen
Für mich zählt diese Erkenntnis zu den wichtigsten überhaupt. Ohne den oben erwähnten Big 5 Test wäre ich vermutlich auch nie oder nur sehr unwahrscheinlich auf diesen “Fehler” gekommen. Mein persönliches Ergebnis verriet mir, eine Person mit viel Innovationsdrang und kurzen Erholungsphasen zu sein. Das führt dazu, dass ich am laufenden Band mit neuen Ideen und Themen auf das Team einrede.
Grundsätzlich bin ich über diese Eigenschaft auch sehr glücklich, doch nicht alle Teammitglieder sind ebenfalls so gestrickt. Bevor wir die Ergebnisse untereinander ausgetauscht haben, versuchte ich — ohne Erfolg — zu verstehen, warum meine Mitmenschen in der Arbeit verunsichert oder nicht fokussiert waren. Heute weiß ich, dass ich zu wenig darauf geachtet habe, in welchem Takt das Team arbeitet und dass meine konstanten Adaptierungen die Basis aus dem Rhythmus bringt. Die Folge war, dass weder etablierte Prozesse stabil umgesetzt, noch neue Ideen sinnvoll integriert werden konnten.
5. Das Team nicht enablen
Ich bin ein Mensch, der sehr konkrete Vorstellungen von Dingen hat. Diese mal positive, mal negative Eigenschaft führt dazu, alles überblicken zu wollen. Besonders am Anfang fiel es mir sehr schwer, Projekte oder Kampagnen aus der Hand zu geben und nicht ständig mitzumischen. Dahinter haben sich zwei wesentliche Schwächen meiner Führung verborgen. Zum einen ist es sehr herausfordernd und frisst Zeit, die andere Dinge dringender bräuchten. Zum anderen verhindert es Selbstständigkeit und Vertrauen der Teammitglieder in sich selbst.
Ein Team, das herausragende Leistungen erbringt ist befreit von mühsamem Micro-Management. Muss über das geballte Wissen verfügen, um maximal Know-how aufbauen zu können und wird dadurch deutlich mehr Wirksamkeit entfalten. Es ist unnötig und falsch, die eigene Meinung bis ins Letzte durchzusetzen.
Menschen zu und innerhalb eines Teams zu führen ist keine Kampagne oder Projekt, das zu Ende geht. Solange man den Job ausübt, schwebt die unsichtbare Verantwortung über einem. Verantwortung, von der ich sehr gerne auch weiterhin lernen möchte.
Die Basis unserer Zusammenarbeit habe ich in diesem Manifest formuliert.